Gewinnen wollen
Wenn beide Partner unbedingt gewinnen wollen, dann verlieren auf Dauer beide. Keiner bekommt, was er will, und zu allem Überfluss ist die Stimmung in der Beziehung auch noch schlecht. Das zeigt sich auch an einer Frage, die uns als die-partnerschaftsberater besonders häufig gestellt wird. Sie lautet: "Was kann ich tun, wenn ich im Recht bin und mein Partner das nicht einsieht?"
Manchmal sind Partnerschaftsfragen vielschichtig. Manchmal gibt es auf sie eine einzige und klare Antwort. Bei dieser Frage ist das anders. Auf die Frage, „was ich tun kann, wenn ich im Recht bin und mein Partner das nicht einsieht?“, gibt es gleich zwei Antworten. Die eine ist ausgesprochen kurz, die andere erfordert einige Erklärungen. Fangen wir also mit der kurzen an.
Ich-bin-im-Recht-Fragen
Mal angenommen, Sie erinnern sich, dass der Zug, mit dem Ihre Schwester ankommt, um 7 Minuten nach 10 Uhr im Bahnhof einfährt, Ihr Partner aber sagt, sie käme um 10:27 Uhr. Und auch er ist sich genauso sicher wie Sie. Was nun? Wer von Ihnen beiden ist im Recht? Hat er sich die Ankunftszeit richtig gemerkt? Oder Sie? Dies ist eine klassische Wer-ist-im-Recht-Frage. Zum Glück ist es ganz einfach herauszufinden, wer von Ihnen beiden Recht hat. Entweder Sie schauen auf den Fahrplan oder Sie gehen, bevor Sie überhaupt losfahren, ins Internet und suchen dort nach der richtigen Ankunftszeit. Oder aber – die dritte Möglichkeit – Sie greifen zum Telefon und rufen Ihre Schwester einfach an. Die hat doch wohl ihr Handy dabei! Kein Mensch verreist heute mehr ohne, denn es könnte doch immerhin sein, dass die netten Menschen, die man besuchen will, sich nicht mehr erinnern, wann genau der Zug ankommt!
Wer-ist-im-Recht-Fragen führen interessanterweise eher selten zu Streit. Warum auch! Nur einer von beiden kann im Recht sein und wer von Ihnen das ist, lässt sich ohnehin leicht herausfinden. Ein Paar, das sich in solch einer Frage einen heftigen Streit liefert, einem solchen Paar ist vermutlich nicht mehr zu helfen.
Ines und Markus streiten sich
Stellen wir uns nun eine ganz andere Situation vor: Ines und Markus haben sich gestritten. Und das kam so: Ines kam wütend von der Arbeit, weil ihre Kollegin sie übel über den Tisch gezogen hatte. Es ging um das neue Projekt, das der Leiter der Abteilung ihr schon so gut wie zugesagt hatte. Und nun hat die Kollegin es sich an Land gezogen. Ines hat Gesprächsbedarf. Sofort! Markus aber verkriecht sich hinter seiner Zeitung und vertröstet Ines auf später. Er will jetzt nicht reden. Was nun? Ines fühlt sich mit ihrem Anliegen, jetzt sofort mit ihm zu sprechen, absolut im Recht. Seine blöde Zeitung kann doch wirklich warten. Ihr Wunsch, ihm von ihren frustrierenden Erlebnissen zu erzählen, ist wichtiger, als sein Wunsch, die Zeitung zu lesen. Das muss er doch einsehen! Sie ist überzeugt: Sie ist im Recht.
Wer hat welches Bedürfnis?
Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund ist Markus der gleichen Überzeugung wie Ines. Auch er meint, im Recht zu sein. Ines lässt nicht locker, Markus auch nicht, ein Wort gibt das andere und schon haben die beiden einen handfesten Beziehungsstreit. Das macht Ines´ Lage natürlich nicht einfacher. Jetzt hatte sie Stress mit der Kollegin, die ihr Tag für Tag acht Stunden gegenübersitzt und außerdem noch Streit mit demjenigen Menschen, mit dem sie einen großen Teil ihrer freien Zeit verbringt. Ihre Probleme haben sich deshalb nicht etwa nur auf zwei erhöht, sie haben sich – gefühlt – auch noch auf vier verdoppelt. Beim Streiten ist eins und eins eben nicht zwei, sondern – gefühlt – sogar vier. Und das alles, obwohl Ines ja nun eindeutig im Recht war, oder?
Wenn Ines nun zu einem von uns in die Beratung käme und uns um einen Rat fragen würden, wie Sie es schaffen könnte, ihren Mann davon zu überzeugen, dass sie im Recht ist und nicht er, dann wird sie an diesem Tag die dritte Niederlage einstecken. Denn leider können wir ihr in diesem Fall nicht zustimmen. Die Situation, mit der wir es hier zu tun haben, ist nämlich gar keine Wer-ist-im-Recht-Situation. Es handelt sich vielmehr um eine Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Situation. Ein ganz anderer Fall also, bei dem es keine Möglichkeit gibt, durch einen Blick ins Internet oder einen kurzen Anruf eine Lösung zu finden.
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Über Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Situationen wird in Partnerschaften oft und gerne gestritten. Aber warum eigentlich? Das Ergebnis ist – wir haben es gerade gesehen – absolut unangenehm. Aus einem Problem sind – gefühlte – vier geworden. Der Hauptgrund für diese Streits: Den allermeisten Menschen fällt es sehr schwer, zwischen Wer-hat-Recht-Konflikten und Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Konflikten zu unterscheiden. Sie sehen sich und ihr Bedürfnis. Die Sicht des Partners aber sehen sie nicht, können sie nicht sehen, und – auch das kommt vor – wollen sie nicht sehen.
Ines und Markus können so weitermachen. Sie können die Zahl ihrer – gefühlten – Probleme noch weiter nach oben treiben, indem sie weiterhin die Überzeugung vertreten, im Recht zu sein. Da bei Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Konflikten aber keiner von beiden im Recht und auch keiner im Unrecht ist, treiben Sie die Stimmung in ihrer Beziehung durch solch ein Verhalten unaufhörlich in die negative Richtung. Arme Ines! Armer Markus!
Alternativen zum Im-Recht-sein
In einer Partnerschaft treffen immer verschiedene Ansichten und verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Damit kommen Sie besser zurecht, wenn Sie sich bemühen, auch die Sicht des Anderen zu verstehen. Wenn Sie sich bemühen, diese Wünsche des Partners als seine Wünsche zu akzeptieren. Versuchen Sie ihn davon zu überzeugen, dass seine Bedürfnisse falsch sind und er sich Ihrer Sicht anschließen soll, dann ist ein Machtkampf vorprogrammiert.
Wenn Sie seine Ansichten schlecht machen oder herabwürdigen, dann sinken Ihre Aussichten, einen guten Kompromiss zu finden. Schade eigentlich! Ist doch das Herausfinden von Lösungen eine der wichtigsten Aufgaben, vor der ein Paar steht. Akzeptieren Sie aber die Unterschiede zwischen Ihnen beiden, dann können Sie Ihren Partner besser für einen Kompromiss gewinnen.